NaNoWriMo 2012

Da es auf diesem Blog ja nicht nur um Evelyn und ihre Freunde, sondern auch mich als Autorin geht, erzähle ich euch heute mal etwas von meinen schreiberischen Aktivitäten außerhalb vom Wandler-NewYork.

Und zwar genauer gesagt vom NaNoWriMo.

Der National Novel Writing Month ist ein Monat, in welchem man ein Buch mit insgesamt mindestens 50000 Wörtern schreiben muss. Ich hab's versucht - nur leider ist mir am 10.11.2012 eine Blinddarmentzündung mit Krankenhausaufenthalt dazwischen gekommen.

Da ich jetzt aber schon die 13218 Wörter habe (was ja auch nicht gerade wenig ist) möchte ich euch hiermit daran teilhaben lassen. Und da ich nicht vor habe, die Geschichte jemals zu veröffentlichen, bekommt ihr sie einfach hier komplett auf der Seite.

Zur Geschichte:
Ich habe mich mal an der dritten Person versucht. Es gibt insgesamt 4 Perspektiven, also immer schön aufmerksam bleiben! :)

Viel Spaß beim Lesen!

Und falls ihr es lieber auf iPad, iPhone, Kindle und Co lesen möchtet: Hier die epub-Datei mit Cover!  (Bei Apple schickt ihr es einfach per Mail an euch selbst und öffnet es dann mit iBooks, bei Kindle habe ich keine Ahnung! :D )
 




„20 Uhr, die Nachrichten.“
Die allseits bekannte Titelmelodie der Abendnachrichten ertönte und Sylvia seufzte tief. Wieder ein Tag, an dem sie keinen von ihren Plänen als geschafft oder zumindest angefangen bezeichnen konnte.
Ihr erster, wichtigster Plan, bestand darin, einen Mann kennen zu lernen, lieben zu lernen und zu heiraten. Ihr zweiter Plan, der den ersten Plan zwingend notwendig hatte, waren Kinder. 
Der dritte, nicht mehr so wichtige, Plan war, in eine größere Stadt zu ziehen. Denn sie hatte in noch nicht einmal zwei Monaten Geburtstag. Ihren dreißigsten. Und da sie sich als Kind vorgenommen hatte, bis zu ihrem dreißigsten Geburtstag in solch einer großen Stadt mit ihrer kleinen Familie zu wohnen, hielt sie fest an ihren Plänen. Obwohl schon Plan Nummer zwei zeittechnisch nur bedingt erfüllt werden könnte.
Nach diesem Gedanken seufzte sie wieder. Sie glaubte nicht daran, dass sie einen der Pläne erfüllen konnte. Nun ließ sie sich von den Nachrichten berieseln, um danach zu einem guten Buch in die Badewanne zu gehen.

Antonio warf den knatternden Motor seines Motorrads an. Als die Maschine aufheulte, streichelte er über den schwarzen Lack und ließ dem Zweirad freien Lauf. Er wusste nicht, wohin er wollte, es war auch schon abends und morgen müsste er wieder zeitig raus, doch er brauchte das nun. Er wollte raus - hielt es drinnen nicht länger aus. Es war Sommeranfang, die Nacht war mild. Optimales Wetter zum Fahren.
Antonio fuhr durch mehrere Wohngebiete und sah, wie hin und wieder beim Vorbeifahren Lichter angingen. Er grinste. Seine Aktion schien wohl nicht unbemerkt zu bleiben. Amüsiert dachte er an die Gesichter der „Spießer“ und wie sie sich grenzenlos über Leute wie ihn aufregten. Er wollte nicht „alt“ sein, sondern sein Leben genießen. Solang es eben ging. Und dazu hatte er noch eine Menge Zeit.
Die Maschine hatte er von seinem besten Freund Olaf zum dreißigsten geschenkt bekommen, sie war noch nicht einmal ein Jahr alt.
,Wo steckt Olaf, wenn man ihn braucht?‘ fragte sich Antonio. Denn mit diesem machte Motorradfahren gleich doppelt so viel Spaß.

Sylvia ärgerte sich. Sie ärgerte sich maßlos. Gerade eben war ein Motorradfahrer laut durch ihre Siedlung gefahren. Da sie mit offenem Fenster badete, weil die sonst so hohe Luftfeuchtigkeit erstickend auf sie drückte, war sie furchtbar erschrocken und hatte das Buch ins Badewasser fallen gelassen. Natürlich hatte sie sich gleich wieder gefangen und das Buch aus dem Wasser gefischt, aber trotzdem war es nass. Sie setzte ihre Hoffnung darin, es mit ihrem Föhn trocken zu bekommen. Aber erstmal musste sie trocken werden - man hört ja viel vom Föhn in der Badewanne.
Als sie vollkommen trocken war, versuchte sie, ihr geliebtes Buch zu retten. Doch es gelang ihr nicht - die Seiten waren, als sie trocken waren, total wellig und das Buch ging nicht mehr richtig zu. Sie seufzte - da musste sie sich wohl oder übel am nächsten Tag auf in die Buchhandlung machen. Denn es war ihr Lieblingsbuch - sie hatte es schon gefühlte tausend Mal gelesen und hatte nicht vor, nun damit aufzuhören. Gleich nach der Arbeit wollte sie morgen in die Buchhandlung.
Sylvia ging nach dem Schreck in der Badewanne gleich ins Bett. Sie wollte dem Leben keine weitere Chance geben, sie heute zu ärgern. Sie schrieb ihrem besten Freund noch kurz eine Nachricht, dass er sie am nächsten Tag zur Buchhandlung begleiten sollte, dann schlief sie ein.

Carlos wachte vom SMS-Ton seines Handys auf. Er war eingenickt, als er den Spielfilm des Tages angeschaut hatte. Ein Blick auf die Uhr sagte ihm, dass es kurz vor halb 10 Uhr abends war. Er schaute auf sein Handy.
„Hallo Carl,“ schrieb seine beste Freundin Sylvia, „Mein Buch ist kaputt, gehen wir morgen zusammen ins Thalia? LG Sylv“.
Er lächelte und tippte schnell ein „Na klar :)“ ins Handy. Dann streckte er sich, denn so ein Nickerchen auf dem Sofa war nicht gerade gut für seinen Rücken. Er machte den Fernseher aus und legte sich schlafen.
Carlos und Sylvia waren schon lange beste Freunde. Sie hatten sich in der Ausbildung kennen gelernt. Carlos wollte immer mit Sylvia zusammen sein, doch er war überhaupt nicht ihr Typ. Und so blieben sie Freunde, auch wenn das Carlos nicht ganz recht war. Doch ein Versprechen hatte er seiner Freundin abgenommen - sie wollten es miteinander versuchen, wenn bei Sylvia bis zum dreißigsten Geburtstag der Traumprinz auf dem weißen Ross noch nicht geritten gekommen war. Carlos fühlte sich siegessicher, hatte besagter Traumprinz doch gar nicht mehr so viel Zeit, seine Sylvia zu finden. Und er war sich ganz sicher, dass er ihr Traumprinz sein würde. Er musste es ihr nur noch beweisen.

Antonio beendete zufrieden seine Runde auf dem Motorrad und hängte Helm und Motorradjacke an den gewohnten Platz in seiner Garage. Er liebte das Fahren, auch wenn er eigentlich ein sehr ruhiger Mensch war. Gerade neu in der Stadt, hatte er endlich eine Anstellung in seinem gelernten Beruf gefunden - er war Buchhändler. In der örtlichen Buchhandlung hatte man ihn auch sehr gerne genommen, denn dort hatte man händeringend nach jemandem gesucht. Die alte Besitzerin des Buchladens war schon längere Zeit krank gemeldet und die einzige angestellte Verkäuferin, die nun die Führung übernommen hatte, freute sich über ein Bisschen Hilfe. Morgen war sein erster Arbeitstag und so ging Antonio gleich nach der Tour und einer Dusche ins Bett, er wollte morgen auf keinen Fall verschlafen.

Am nächsten Morgen wachte Sylvia auf und hatte das Gefühl, dass heute etwas passieren würde. Sie war sich sicher - heute trifft sie ihren Traummann. Woher sie das wusste, konnte sie sich nicht erklären, musste sie doch heute eigentlich nur arbeiten gehen und hatte nicht vor, auszugehen.
Sie machte sich vor Freude strahlend für die Arbeit fertig und zog sich die schönsten Klamotten an, die sie fand und die sie auch bei der Arbeit anziehen konnte. Mit ihrer Lieblingsstrickjacke und der dazu passenden Tasche machte sie sich auf den Weg zu ihrem Arbeitsplatz, einer kleinen Firma, in der sie Sekretärin des Chefs war. Ihr Chef war niemand geringerer als ihr bester Freund Carlos. Eigentlich war sie für den Beruf einer Sekretärin überqualifiziert, doch da Carlos sie vor ein paar Jahren darum bat, für ihn zu arbeiten und er sie sehr gut dafür bezahlte, stimmte sie zu. Für ihren besten Freund zu arbeiten war das Beste, was Sylvia bislang passiert war. Es war ein tolles Arbeitsklima, wobei ihr die Arbeit manchmal mehr Spaß machte, als ihre Freizeit. Kurz, nachdem sie ihren Computer und die Kaffeemaschine angemacht hatte, traf ihr Chef auch schon an seinem Arbeitsplatz ein. Sie sah auf die Uhr. Gerade noch rechtzeitig.

Carlos hatte verschlafen und war nun ins Büro gehetzt. Er hatte eine kleine Firma, die Zubehörartikel wie Scheibenabdeckungen oder Kindersitze herstellte und sie vertrieb. Das Geschäft lief gut, er konnte sich nicht beklagen.
Als er in seinem Büro eintraf, sah er Sylvia schon von Weitem. Er zog seine Augenbrauen hoch - sie war heute aber schick angezogen. Er fühlte sich - wie immer - sehr zu ihr hingezogen. ,Noch zwei Monate‘, dachte er bei sich. Er freute sich so sehr darauf.
„Guten Morgen, Chefchen.“ begrüßte Sylvia ihn schmunzelnd.
„Guten Morgen, Sylvia!“ antwortete er ihr.
Sie stellte zwei Kaffeetassen neben die Kaffeemaschine, welche vor sich hin gluckerte. Gleich würde sie fertig sein und Carlos würde, wie jeden Morgen, seinen Kaffee ins Büro gebracht bekommen. ,Soweit, so gut‘, dachte er sich. Der Kaffee und Sylvias Anwesenheit würden ihn über den großen Stapel Arbeit hinwegtrösten, die auf seinem Schreibtisch lag. Und wenn es ihm zu viel werden würde, wüsste er, wer ihm dabei helfen würde. Sylvia.

Antonio wachte noch vor dem Klingeln des Weckers auf. Immer, wenn es wichtig war, konnte er nicht richtig schlafen. Dennoch war er putzmunter und ausgeschlafen, dankbar dafür, dass er zeitig ins Bett gegangen war. Normalerweise las er nämlich bis tief in die Nacht. Bücher waren seine Leidenschaft und er war manchmal ein wenig traurig darüber, dass er nicht Schreiben konnte. Ihm fiel einfach nichts ein - alles, was er bisher geschrieben hatte, hatte er in der Zeitung gelesen, im Fernsehen gesehen oder sonst schon in einem anderen Buch gelesen. Er wich einfach immer in bekannte Geschichten ab und das ärgerte ihn. Damit er sich nicht noch mehr ärgern musste, hatte er es irgendwann aufgegeben und fast sein gesamtes Geld, das andere wohl eher für Hobbys wie Kino, Auto oder Basteleien ausgaben, in Bücher gesteckt. Vom Umzug in die neue Stadt standen noch mindestens vierzig Umzugskisten voller Bücher in seinem Arbeitszimmer. Es war eigentlich kein Arbeitszimmer - eher eine kleine Bibliothek. Seine Freunde, hätte er es ihnen erzählt, hätten ihn für verrückt erklärt. Auch Olaf wusste nichts von seinem Bücherfimmel. Er wusste, dass Carlos Verkäufer war - was er jedoch verkaufte, wusste er nicht. Durch das geschenkte Motorrad erlebte Carlos das erste Mal in seinem Leben ein anderes Hobby außer Bücher - es gefiel ihm, um vom Stress und der bedrückenden Enge seiner Wohnung Abstand zu gewinnen, doch oft machte er solche Touren nicht. Und schon gar nicht ohne Buch. Gestern war eher eine Ausnahme gewesen, da er sich erst einmal die Umgebung anschauen wollte, wo es gute Stellen zum Lesen gab. Er war hin- und hergerissen... Sollte er hier auch in aller Öffentlichkeit sein Hobby ausleben? Oder es lieber im Stillen machen? Er sah eher aus wie ein Draufgänger, als eine Leseratte. Eben wie jemand, den man sich auf einem lauten Motorrad vorstellte. Und genau das kam besser an. Diese Seite an ihm gefiel ihm auch - doch nicht auf Dauer. Und schon gar nicht nur diese alleine.
Antonio ging aufgeregt den mehrere Male abgegangenen Weg bis zur Buchhandlung, wo ihn auch schon seine neue Chefin Marie empfing.

Sylvia setzte sich, nachdem sie Carlos den Kaffee gebracht hatte, an ihren Schreibtisch und hing ein wenig ihren Gedanken nach. Sie hatte heute nicht viel zu tun und nach ihren Erfahrungen würde sich das nicht stark ändern, sofern ihr Chef sie nicht wieder um Hilfe bei seiner eigenen Arbeit bat. Sie war so fleißig und pflichtbewusst, dass sie schon soweit für die nächsten Tage vorarbeitete, wie sie konnte. Deshalb konnte sie morgens noch ein wenig träumen, bevor sie richtig in ihre Arbeit startete. Jedoch klingelte nach ein paar Minuten das Telefon und läutete ihren Arbeitstag wohl doch eher als geplant ein. Sie nahm eine Bestellung auf und machte sich an die Arbeit. Sie arbeitete routiniert und hatte mit Bestellungen schon lange keine Probleme mehr. Generell war ihre Arbeit sehr zur Routine geworden, da sie eigentlich jeden Tag das Gleiche machte.

Marie war ganz begeistert von ihrem neuen Mitarbeiter. Antonio war vier Jahre älter als sie, sie selbst 26 Jahre alt. Er sah ihrem Ex ein wenig ähnlich und erinnerte sie an ihn, doch das störte sie nur bedingt. Sie musste zwar daran denken, wie ihr Ex sie mit einer anderen Frau betrogen hatte, doch dank Antonios Freundlichkeit und vor Allem seinem Faible für Bücher konnte sie sich schnell wieder fangen und schloss schnell Freundschaft mit Antonio. 
,Und vielleicht wird noch mehr daraus...‘, dachte sie so bei sich. Ihr käme es gelegen - denn ihrem Exfreund wollte sie unbedingt noch eins auswischen, und das möglichst zeitnah. Antonio schien der richtige ,Ansprechpartner‘ dafür zu sein. Aus seiner Bewerbung hatte sie die Informationen entnommen, dass er ledig und ganz neu in der Stadt war. Also eigentlich optimal. Sie wies ihn in die Buchhandlung ein und flirtete ein wenig mit ihm, doch er ging leider nicht darauf ein. Doch das war ja ganz normal, überlegte sie, schließlich war er hier erst ganz neu.

Antonio war fasziniert von der Buchhandlung. Es war ein zweistöckiges Paradies für Leseratten. Und Marie, seine neue Chefin, schien auch ganz nett zu sein. Er glaubte manchmal sogar, dass sie ein wenig mit ihm flirtete, doch sagte sich selbst, dass er sich das nur einbildete. Deshalb ging er auch nicht darauf ein - er konnte sich nicht vorstellen, dass eine Frau sich ernsthaft für ihn interessierte. So etwas war erst sehr selten vorgekommen - doch konnte er nicht wirklich etwas dafür. In seiner Heimat, aus der er schlussendlich floh, war er als ein spießiger Streber, der sich in seinen Büchern verkroch, bekannt. Und das machte ihn sehr unattraktiv für die Frauen, die sich an Männer heranschmissen. Auf Partys war er immer Außenseiter. Hätte er gewusst, dass Frauen, die sich nicht auf Partys herumtrieben, sondern sich genauso zu Hause mit einem guten Buch verkrochen, ihn sehr sympathisch gefunden hätten, wäre sein Selbstvertrauen um einiges größer gewesen. So aber zweifelte er eher an sich selbst, als an sich zu glauben.

Carlos war hoffnungslos überarbeitet. Es waren noch zwei Stunden bis Feierabend, doch er hatte nur die Hälfte seiner Arbeit geschafft. Als ihm Sylvia den nächsten Kaffee brachte, sprach er sie an.
„Hast du noch viel zu tun?“ fragte er.
„Nein, ich bin soweit fertig und nehme nur noch Bestellungen auf. Brauchst du mich?“ fragte sie hilfsbereit.
„Ja, das wäre schön. Schau selbst...“ er zeigte auf den Stapel Ordner vor sich auf dem Tisch.
Sie nahm sich den Stapel und lächelte.
„Danke dir... du hast so viel bei mir gut!“ sagte Carlos dankbar.
„Das ist doch selbstverständlich, ich arbeite doch für dich!“
Carlos nickte und verliebte sich immer mehr in Sylvia. Sie war so ein gutherziger und hilfsbereiter Mensch, das schätzte Carlos sehr an ihr. Nicht nur, weil es ihm Freizeit verschaffte.

Sylvia machte sich an die Arbeit. Nachdem sie sich einen kurzen Überblick verschafft hatte, rechnete sie sich aus, dass sie mit diesem Stapel bis Feierabend fertig werden würde. Es sah nach sehr viel aus, was es aber eigentlich gar nicht war. Sie war einmal mehr froh darüber, dass sie für ihren Job als Sekretärin überqualifiziert war und eigentlich auch an Carlos‘ Stelle sitzen könnte. 
,Vom Arbeitsverhalten her könnten wir auch tauschen‘, dachte sich Sylvia, um sich dann schuldbewusst auf die Lippe zu beißen. Sie hatte ein schlechtes Gewissen - sie wollte doch nicht den Platz von Carlos einnehmen, sondern ihm nur helfen, so gut es eben ging. Sie war kein Mensch, der sich an die oberste Position drängen wollte, sondern war eher der Typ ,treuer Untergebener‘, der alles für seinen Vorgesetzten tun würde. Und da ihr Vorgesetzter gleichzeitig ihr bester Freund war, war dies für sie die natürlichste Sache der Welt.

Marie setzte Kaffee auf - in der Buchhandlung war Mittagspause. Diese nutzte sie, um ihrem neuen Angestellten ein wenig auf den Zahn zu fühlen.
„Wieso bist du umgezogen, Antonio?“ fragte sie ihn, als sie zwei Stück Zucker in ihren Kaffee rührte.
„Ich wollte mal wo anders hin. Man kann ja nicht immer im selben Kaff wohnen.“ sagte Antonio nicht ganz wahrheitsgetreu. In Wirklichkeit war er ja umgezogen, um seinen Ruf - sollte ihn gut oder schlecht finden, wer wollte - zu verlieren und sich einen neuen zu machen. Deshalb war er in die Nähe seines guten Freundes Olaf gezogen, der selbst jedoch nichts von der Vorliebe für Bücher seines Freundes ahnte.
„Das stimmt.“ antwortete Marie auf Antonios Notlüge.
Sie glaubte ihm, dass er mal raus musste - wieso auch nicht. Ihr war es auch relativ egal, warum er hier her kam - das Wichtigste war, dass er hier her gekommen war. Sie verfolgte immer noch den Plan, ihn ein wenig um den Finger zu wickeln und ihren Ex damit eifersüchtig zu machen. Denn sie glaubte daran, dass dieser sie immer noch liebte und sie ihm einfach nur zu langweilig geworden war, weil er sich ihrer sicher war. Sie lächelte böse in sich hinein. So leicht wollte sie es ihm nicht machen.

Antonio trank seinen Kaffee und beobachtete Marie. Sie schien ihn zu mögen, obwohl er so vernarrt in Bücher war. Sollte er ihr den wahren Grund seines Umzugs verraten? ,Nein‘, dachte er, ,Wieso sollte sie es etwas angehen?‘. Nach dem Kaffee sah er sich weiter den Bestand der Buchhandlung an, schließlich musste er, wenn Kunden ihn nach einem Buch fragten, wissen, ob sie es da hatten oder er es für diese bestellen sollte. Natürlich waren diese Bücher auch alle im Computersystem aufgeführt, Antonio jedoch wollte ein vorbildlicher Mitarbeiter sein und es langsam auswendig lernen. Außerdem interessierte es ihn brennend, ob es hier Bücher gab, die in seiner alten Lieblingsbuchhandlung nicht verkäuflich waren. Er würde sicherlich das ein oder andere Buch hier erstehen und zu seiner Sammlung hinzufügen.
Ihm kamen die Bücherkisten in den Sinn und er seufzte. Diese musste er nach und nach in die Bücherregale einräumen, die das Arbeitszimmer wirklich wie eine Bibliothek wirken ließen. In der Jugendbuchabteilung fand er so einige Bücher, die er allesamt in den Schulpausen durchgelesen hatte. Das Buch, das er gerade las, nahm er immer mit, sodass er sofort weiterlesen konnte, wenn sich ihm die Möglichkeit dazu ergab.
Marie rief ihn hinunter an die Kasse, sie wollte, dass er die nächsten Kunden bedient. Sie wies ihn kurz in die Technik ein und verschwand dann nach oben, wahrscheinlich, um Bücher zu sortieren.
Die Glocke an der Tür ertönte und eine Frau und ein Mann traten ein.

Carlos und Sylvia gingen gleich nach Feierabend in die Buchhandlung. Sylvia hatte den Stapel Arbeit erledigen können und Carlos lud sie aus Dankbarkeit zu einem Eisbecher ein, den Sylvia dankend annahm. Doch zuerst wollte sie ein neues Exemplar ihres Lieblingsbuches erstehen.
Als sie in die Buchhandlung eintraten, sah sich Sylvia nach Marie um. Sie waren flüchtig bekannt durch Sylvias häufige Einkaufsbummel in der Buchhandlung, befreundet waren sie jedoch nicht. Sylvia fand Marie nicht, dafür fiel ihr jedoch ein Mann hinter dem Verkaufstresen auf.
Er war groß und kräftig gebaut, dabei jedoch nicht dick. Seine braunen Haare lockten sich, obwohl sie nicht allzu lang waren. Er war genau der Typ Mann, nachdem sie immer Ausschau hielt. Doch was machte er in einer Buchhandlung?
„Guten Tag!“ begrüßte er die beiden Neuankömmlinge.
„Hallo...“ fing Sylvia an, „Arbeiten sie hier?“
„Jawoll.“ sagte er, fügte dann auf ihren ungläubigen Blick hinzu: „Heute ist mein erster Tag hier.“ 
Sylvia nickte. Deshalb hatte sie ihn also noch nie hier gesehen.

Marie war mit ihrer Arbeit in der oberen Etage fast fertig und kam nun die Treppen wieder herunter, da sie die Glocke gehört hatte und Antonio nun doch nicht so alleine mit den Kunden lassen wollte.
„Hallo Sylvia, Carlos!“ sagte sie, als sie die Beiden sah.
Sie nickten ihr zu. Nachdenklich schaute sie Carlos an. Ihn wollte sie eigentlich dafür nutzen, ihren Exfreund eifersüchtig zu machen, doch er war zu vernarrt in Sylvia, um sich darauf einzulassen. An ihren Anmachversuch denkend, wurde Marie ganz rot im Gesicht. Es war ihr peinlich, dass sie Carlos hatte verführen wollen und er nicht darauf eingegangen war, schlimmer noch, er sie dabei nur belächelt hatte.
Sollte sich ruhig Antonio um die beiden kümmern, sie hielt es jetzt nicht mehr mit Carlos in einem Raum aus. Das durfte sie sich natürlich nicht anmerken lassen. So ging sie ganz normal weiter in den Raum für Angestellte und ließ Antonio seine Sache machen.

Antonio war aufgeregt. Nicht nur, dass er seine ersten Kunden betreuen sollte, Sylvia fand er dazu auch noch richtig gut. Sie lächelte ihn auch an, als ob sie genauso empfand. Doch nun musste er erst einmal sie als Kundin beraten. 
Sylvia nannte ihm den Namen ihres Lieblingsbuches und er schaute im Computer, ob sie dieses Buch noch auf Lager hatten. Und tatsächlich, es waren sogar noch 2 Stück da. Antonio ging zusammen mit Sylvia und Carlos zu dem Bücherregal, in dem das Buch laut Computer stand. Er nahm es heraus und gab es Sylvia in die Hand, wobei sich ihre Hände flüchtig berührten. Ein Kribbeln schoss durch beide und sie sahen sich unweigerlich in die Augen. Ein sehr intimer Moment entstand und beide konnten sich gar nicht vom Anderen losreißen. Bis Carlos einschritt.
„Das ist doch das richtige Buch?“ fragte er.
Antonio und Sylvia wurden aus ihrem Moment gerissen und waren beide ein wenig verwirrt. 
„Ja... Das ist das richtige Buch.“ sagte Sylvia stockend.
„Na auf was warten wir dann noch? Wir haben doch noch ein Date.“
Das warf Antonio nun aus der Bahn. Sylvia und Carlos waren ein Paar... Natürlich, warum sollte man mit einem Freund in die Buchhandlung gehen?

Sylvia konnte es nicht fassen. Sie fand Antonio richtig süß und dann machte Carlos so eine blöde Bemerkung, die ja so gesehen gar nicht stimmte. Sie wollten ein Eis essen gehen, gut, aber das war doch kein Date!
Die Aktion von Carlos war ihr so peinlich, dass sie schnell wieder zur Kasse ging und ihr Buch wortlos bezahlte. Sie verließ dann schnell die Buchhandlung, ohne noch einen weiteren Blick auf Antonio zu werfen, hoffte nur, dass er es ihr nicht übel nahm. Sie nahm sich vor, an einem anderen Tag ohne Carlos hier her zu kommen, um die Sache aufzuklären. Denn diesen Mann wollte sie nicht einfach so gehen lassen. Sie rief sich ihre Pläne wieder in Erinnerung und war sich sicher, dass sie diese mit Antonio erfüllen wollte. Mit ihm und niemand anderem. Doch sie kannte noch nicht einmal seinen Namen und er dachte wohl, dass sie und Carlos zusammen waren.
,Schwierige Sache.‘, dachte sie bei sich selbst. Doch sie war sich sicher, dass sie es irgendwie schaffen würde.

Nachdem die Kunden weg waren, traute sich Marie wieder in den Verkaufsraum hinaus. Sie wurde sogleich von Antonio angesprochen.
„Wer waren die beiden?“ fragte er.
„Das waren Sylvia und Carlos, der Nachname ist mir unbekannt. Sylvia ist öfter hier und Carlos ist ihr Chef.“
„Ihr Chef? Er sagte, sie hätten ein Date.“ sagte Antonio verwundert.
„Na er steht ja auch ganz offensichtlich auf sie! Da hat er es wohl bei ihr geschafft.“ gab Marie zurück.
Sie fragte sich, warum Antonio das wissen wollte. War er etwa interessiert an Sylvia? Das konnte sie sich beim besten Willen nicht vorstellen.
Sylvia war eine eher zierliche Brünette, nicht sehr schlank, aber auch nicht dick, Durchschnitt halt. Marie hingegen war eine große, schlanke Blondine, die trotz ihrer Haarfarbe auch was im Köpfchen hatte. Und genau das wollte sie auch nutzen.
„Wollen wir nach Feierabend einen Kaffee trinken gehen?“ fragte Marie Antonio.
„Klar, warum nicht.“ bekam sie zur Antwort.

Antonio traf Maries Satz wie ein Schlag. Natürlich wollte er sich nicht einmischen, wenn Carlos Sylvias Chef war und mit ihr zusammen sein wollte. Er hatte den Gedanken ganz schnell verworfen, aber fühlte sich nun schlecht. Sie war seine Traumfrau, das wusste er, auch wenn er erst ein paar Worte mit ihr gewechselt hatte. Er wollte sie unbedingt - aber war sich sicher, dass er sie nie bekommen würde.
Vor Feierabend kaufte er sich das letzte Exemplar von Sylvias Lieblingsbuch, das noch auf Lager war, dann half er Marie, alles dicht zu machen und ging mit ihr noch einen Kaffee trinken. Aus dem Kaffee wurde eine Runde Sekt, sie stoßen in einer Bar auf die neue Arbeitsstelle von Antonio an. Er wollte es nicht ablehnen, wollte nicht unhöflich zu seiner neuen Chefin sein.
Außerdem war er bedrückt wegen Sylvia. Der Sekt half und er ließ sich zu weiteren Cocktails überreden.

Sylvia konnte sich zu Hause gar nicht in ihr Buch vertiefen. Sie musste die ganze Zeit an Antonio denken. Der Mann, dessen Namen sie nicht einmal kannte, hatte es ihr angetan. Sie musste ihn unbedingt wiedersehen.
Das „Date“ mit Carlos war ziemlich in die Hose gegangen. Da er wahrscheinlich bemerkt hatte, dass sie für Antonio mehr empfand, als sie zugeben wollte, war er viel offensiver geworden. Er hatte es mehrmals versucht, ihre Hände in seine zu nehmen, was sie abwies. Sie hatte ihn an ihre Abmachung erinnert und ihm gesagt, dass, wenn er sich nicht benahm, er überhaupt keine Chance bekommen würde. Das hatte ihn dann in seine Schranken verwiesen und er ließ sie in Ruhe. Carlos hatte sie noch nach Hause gebracht und ist dann brav selbst nach Hause gegangen. Er wollte die Freundschaft mit Sylvia nicht auf‘s Spiel setzen.
Sylvia setzte sich an ihr Netbook und suchte im Internet nach dem Mann. Doch auf der Website der Buchhandlung gab es keinerlei Informationen zu den Angestellten, nur zur Inhaberin. Seufzend nahm sich Sylvia vor, morgen einfach nochmal in die Buchhandlung zu gehen und die Sache klarzustellen. Und den netten Unbekannten vielleicht um ein Date zu bitten. Denn sie hatte es gespürt - er war auch angetan von ihr. Spät schlief sie in Gedanken an ihn ein.

Mürrisch räumte Carlos sein Appartement auf. Wieso hatte er es sich anmerken lassen, dass Sylvias Begegnung mit diesem Buchverkäufer nicht spurlos an ihm vorbei ging? Er hätte einfach mit ihr Eis essen gehen können, seine Gefühle für sie verdrängen können, wie immer. Doch es brachte ihn aus der Fassung, was heute geschehen war. Und wieder kamen nur Abweisungen von Sylvia. Manchmal dachte er daran, wie es wäre, wenn sich ihre Wege trennen würden. Er würde ein einfacheres Leben haben, sich neu verlieben können. Doch er wollte nicht auf Sylvia verzichten. Er liebte sie - und wenn sie ihn nicht als Mann wollte, dann musste er es akzeptieren, nein, gutheißen, wenn sie ihn als Freund wollte. Er konnte ohne sie nicht Leben, also musste er mit ihr leben - mit allen daraus entstehenden Konsequenzen.

Marie war in Hochstimmung. Sie hatte Antonio zu einem Date überreden können und trank nun fleißig mit ihm um die Wette. Ihn musste irgend etwas bedrücken, doch das interessierte sie wenig. Was sie aber interessierte war, dass sie ihren Ex alleine in der Bar entdeckt hatte und dieser sie und den ihm unbekannten Mann die ganze Zeit beobachtete. Langsam und mit viel Charme versuchte Marie, Antonio um den Finger zu wickeln und mit jedem weiteren Glas gelang es ihr mehr. Sie legte ihre Hand auf seine, die auf dem Tresen lag. Er beschwerte sich nicht darüber, schaute nur ein wenig verwirrt. Marie sah ihm an, dass er schon eine Menge Alkohol intus hatte. Sein Gesicht war gerötet und auch sein Halsbereich nahm langsam eine rötliche Färbung an. Doch genau das war sehr hilfreich für sie.
Ohne Vorwarnung stand sie von ihrem Barhocker auf, zog Antonio von seinem hinunter auf den festen Boden, umschlang ihn mit seinen Armen und küsste ihn. Durch ihre halb geöffneten Augenlider konnte sie sehen, dass ihr Exfreund wütend die Bar verließ.

Antonio war im ersten Moment verwirrt. Wieso küsste Marie ihn? Er konnte eh nicht klar denken, weil er keinen Alkohol vertrug und schon einiges getrunken hatte. Er trank fast nie, höchstens mal ein Gläschen Sekt zu Silvester, aber auch nur dann, wenn er eingeladen war. Denn eigentlich war er gegen Alkohol. Heute hatte er sich jedoch aus seiner verzweifelten Lage heraus überreden lassen. Und nun sah er, dass es die falsche Entscheidung gewesen war. Da stand er, in einer Bar, die er nicht kannte, ohne Plan, wie er nach Hause kommen sollte, eine Frau küssend, die nicht die war, in die er sich verliebt hatte. Er küsste gerade seine Chefin! Langsam dämmerte ihm, dass er das lieber nicht tun sollte und er schob sie von sich weg. Er sah sie nicht an, wollte nur nach Hause.
„Ich bin dann mal weg.“ sagte er mechanisch und warf dem Barkeeper einen Fünfziger zu, dann wankte er in Richtung Ausgang.

Marie war ein wenig verwirrt, als Antonio einfach so abzog. Doch sie hatte geschafft, was sie schaffen wollte und war glücklich. Sie bezahlte den Barkeeper für ihre Drinks und gab ein großzügiges Trinkgeld, dann machte sie sich auf den Weg nach Hause. Ein wenig ärgerte sie sich darüber, dass Antonio schon weg war. Liebend gerne hätte sie ihn auch nach Hause begleitet und mit ihm dort einige schöne Stunden verbracht. Er war ein wahnsinnig guter Küsser, selbst wenn er so betrunken war. Wie musste er wohl küssen, wenn er nüchtern war? Marie nahm sich vor, es in den nächsten Tagen herauszufinden. Er musste ja zur Arbeit kommen und so würden sie sich jeden sehen. Marie wusste, was so ein tägliches Zusammensein alles bewirken konnte. Sie würden sich unweigerlich immer näher kennen lernen und Marie wusste, dass sie keine schlechte Partie war, hatte sie doch bisher jeden Mann bekommen, den sie wollte. Ihr Exfreund war ihr im Moment sogar egal - sie wollte Antonio. Niemand würde sie aufhalten, das wäre ja noch schöner.

Sylvia ging am nächsten Morgen etwas ängstlich zur Arbeit. Sie war gestern wirklich etwas schroff zu Carlos gewesen und wollte sich entschuldigen, wusste aber nicht, wie. Sie trödelte ein wenig, wobei auf ihrem Fußweg zur Arbeit, für den sie normalerweise zehn Minuten brauchte, kaum eine Sache Gelegenheit bot, zu trödeln.
Als sie das Büro betrat, standen dort Blumen und Pralinen. Es waren ihre Lieblingspralinen und Lieblingsblumen, rosa Primeln. Auf der Pralinenschachtel klebte ein Zettel.
„Liebe Sylvia. Es tut mir leid, dass ich gestern so aufdringlich war. Ich hoffe, du nimmst die Entschuldigung an. Wenn du heute keine Lust auf mich hast, dann musst du mir keinen Kaffee bringen, ich werde dich nicht stören und erst nach Feierabend gehen. Einen schönen Arbeitstag wünsche ich dir, dein Carlos.“
Sylvia lächelte erleichtert. Er hatte es ihr nicht übel genommen, nein, sich sogar dafür entschuldigt, dass er gestern aufdringlich war. Sie ging hinter den Tresen und machte die Kaffeemaschine an. Jetzt war sie an der Reihe, sich zu entschuldigen.

Als Antonio kurz vor Arbeitszeitbeginn die Buchhandlung betrat, konnte er kaum sehen vor Kopfschmerzen. Er hatte einen mächtigen Kater. Als er dann Marie sah, wurde ihm übel. Er rannte zur Mitarbeitertoilette und erbrach sich.
Marie kam langsam zu ihm hin.
„Alles in Ordnung?“ fragte sie.
„Hmm“ machte Antonio.
Ihm ging es schlechter als je zuvor. Eigentlich hatte er sich krank melden wollen, doch sah das einerseits am zweiten Arbeitstag doof aus, andererseits wollte er sich nicht vor Marie verstecken, sondern das Missverständnis klären. Denn er konnte sich an den letzten Abend nicht erinnern - er war sich sicher, dass er Marie geküsst hatte, aber wusste nicht, ob noch mehr passiert war.
„Was ist gestern Nacht passiert?“ fragte er sie.
Marie lachte. „Filmriss?“
Antonio nickte nur und schaute sie fragend an.

Marie freute sich. Er schien wohl keinen Alkohol zu vertragen - obwohl er wirklich so aussah, als würde er öfter mal einen draufmachen. Das machte ihren Plan aber unglaublich einfach!
„Tja, wie soll ich sagen, du bist ein wundervoller Liebhaber.“ log sie und zwinkerte ihn an.
Sie zuckte die Schultern, als Antonio an ihr vorbei zu den Toiletten rannte und ging ihm langsam nach. Sie hörte, was drinnen geschah, sehen wollte sie es nicht unbedingt. 
Sie wusste, dass ihr Plan erfolgreich war und lächelte. Der Alkohol hat ihr wieder einmal geholfen.
Ihr selbst ging es eigentlich relativ gut, jedoch hatte sie auch bei jeder zweiten Runde nur Cola bestellt. Geistig abwesend, wie Antonio gestern schien, hatte er es wohl gar nicht bemerkt.
So einen Kotzbrocken wollte sie nicht küssen. Sie lächelte innerlich über dieses Wortspiel - Kotzbrocken - und sah dann nach Antonio. Die Tür zur Kabine stand offen, er saß vor der Toilette.

Nachdem der Kaffee aufgebrüht war, machte Sylvia wie immer 2 Tassen voll und brachte ein Tablett mit Carlos‘ Tasse, der Zuckerdose und einem Päckchen Kondensmilch in Carlos‘ Büro. Er freute sich sichtlich darüber, dass sie ihm somit verzieh. 
„Sylvia, wie schön! Danke!“ sagte er, nachdem er von seiner Arbeit aufgeschaut hatte und sie entdeckt hatte.
„Ich habe gestern auch nicht alles richtig gemacht.“ lenkte sie ein.
Die beiden lächelten sich an. Sylvia wusste, das war richtige Freundschaft. Aber eben nur Freundschaft, das musste auch Carlos begreifen. Langsam wurde ihr mulmig bei dem Gedanken daran, dass sie ihm versprochen hatte, es mit ihm zu versuchen, wenn sie mit dreißig Jahren noch Single war. Doch sie hatte ja schon einen Plan und der lautete, den unbekannten Buchhändler erneut aufzusuchen und mit ihm auszugehen.
Sie freute sich bei diesem Gedanken schon wahnsinnig auf den Nachmittag.
„Kann ich es gutmachen? Versuchen wir heute Nachmittag das Selbe nochmal, nur einfach als Freunde?“ fragte Carlos.
Sylvia war irritiert. Heute Nachmittag wollte sie doch ihren Traummann richtig kennen lernen!
„Ich habe leider schon was vor...“ wich sie aus, „Aber übermorgen, okay?“
„Alles klar, dann übermorgen.“

Carlos wollte nicht mehr so aufdringlich sein, deshalb fragte er sie nicht danach, was sie heute Nachmittag vorhatte. Auch wenn es ihn brennend interessierte.
Nach dem Gespräch verließ Sylvia das Büro und Carlos widmete sich wieder seiner Arbeit. Doch er konnte sich nicht richtig konzentrieren, musste immer wieder an Sylvias gestrigen Blick denken. Was war, wenn dieser Moment zwischen dem Buchverkäufer und ihr mehr bedeutet hatte, als es schien? Er konnte ja auch nicht in die Köpfe der Beiden hineinsehen. Hatte Sylvia heute Nachmittag vor, noch einmal in den Laden zu gehen? Sich mit ihm zu verabreden? Carlos brannte fast vor Neugierde. Er dachte einen Augenblick lang daran, ihr zu folgen. Doch er durfte es nicht so weit kommen lassen, sonst würde er sie im Endeffekt ganz verlieren. Und das würde er nicht ertragen.

Antonio hing auf dem Stuhl wie ein nasser Sack. Auf einmal fühlte er sich hier, in seinem eigentlichen Paradies, nicht mehr wohl. Vielleicht lag es auch nur am Restalkohol, sagte er sich. Doch er wollte raus hier, wollte an die frische Luft.
„Marie?“ fragte er, „Ich weiß, das klingt bescheuert, aber kann ich mir heute frei nehmen? Mir geht es echt mies.“
Nachdem er einem prüfenden Blick von Marie stand gehalten hatte, seufzte sie und sagte: „Ja, geh nach Hause, ruh dich aus, ich komm alleine klar. Dann siehst du morgen auch gleich besser aus. Im Moment siehst du nämlich aus wie eine Schnapsleiche.“
„Habe ich so viel getrunken?“ fragte er.
Marie lachte nur. „Scher dich heim, les‘ ein gutes Buch, trink viel und schlafe früh! Und morgen komm wieder und arbeite, wie du noch nie gearbeitet hast.“
Bei den letzten Worten lächelte sie ihn an. Dass eine unterschwellige Botschaft darin versteckt war, bemerkte Antonio nicht. Er verließ die Buchhandlung und trottete nach  Hause, um dort Maries Tipps auszuprobieren.

Der Arbeitstag war zäh wie ein Kaugummi, aber irgendwann war auch er für Sylvia vorbei. Freudestrahlend schaute sie auf die Uhr und zog sich an. Gerade, als sie gehen wollte, kam Carlos aus seinem Büro.
„Viel Spaß mit diesem Kerl.“ sagte er resigniert.
Sylvia war überrumpelt und wusste nicht, was sie nun sagen sollte. Deshalb ging sie einfach zu ihm hin, gab ihm einen Kuss auf die Wange und sagte „Danke!“.
Der Weg zur Buchhandlung war nicht weit und sie war sogar schneller als sonst da.
Schon vor dem Laden schaute sie nach Antonio, doch der war nicht zu entdecken. Sie betrat die Buchhandlung.
„Hallo Sylvia.“ sagte Marie, „Hast du das Buch von gestern schon durch?“.
„Nein, ich schau mich nur um.“ sagte Sylvia und ging in die zweite Etage, weil Antonio offensichtlich nicht in der ersten war. Doch auch hier oben fand sie ihn nicht.
Hatte er heute frei? An seinem zweiten Arbeitstag? Unmöglich!

Marie hatte eine Ahnung, warum Sylvia wieder hier aufgetaucht war. Sie ging ihr nach in die zweite Etage des Buchladens und sah sie dort bewegungslos dastehen.
„Seit wann interessierst du dich für Kochbücher?“
„Gar nicht. Hat der Buchverkäufer von gestern frei?“
Und schon bestätigte sich ihre Annahme. Sylvia war interessiert an Antonio. Aber er sollte ihr, Marie, doch noch viel Spaß bereiten...!
„Der kommt nicht mehr.“ sagte sie.
Sie bezog es auf den heutigen Tag, denn wirklich gut lügen konnte sie nicht. 
Sylvia zog genauso schnell wieder ab, wie sie gekommen war. Als Marie wieder unten war, kam Sylvia nochmal herein.
„Wie heißt er und wo kann ich ihn finden?“ fragte sie.
„Das sind Personalien, die ich dir nicht verraten darf. Okay, sein Vorname geht. Er heißt Antonio.“

Sylvia stand sprachlos vor Marie. Wie frech sie doch bei diesem Thema zu ihr war! Aber wenigstens wusste sie jetzt seinen Vornamen. Antonio... wie herrlich das klang. Sie musste zugeben, jeder Namen, den dieser Mann getragen hätte, hätte herrlich geklungen. Sie suchte nun also Antonio. Das war ein großer Fortschritt! Sie hoffte auf Hilfe von Carlos, auch wenn er wahrscheinlich der größte Gegner dieser Vereinigung sein würde. Aber er war ein guter Mensch, er würde ihr sicher helfen.
In der Buchhandlung wollte sie erst einmal nicht mehr vorbeischauen - es war für sie ohnehin sinnlos, weil sie dachte, dass Antonio dort nicht mehr arbeitete. Und noch einmal so blöd von Marie angemacht werden wollte sie auch nicht.

Marie lächelte siegessicher. Sylvia würde sie hier nicht mehr sehen. Und genau das war entscheidend, denn Marie konnte Antonio ja nicht einfach grundlos noch länger frei geben. Oder ihn gar feuern - dafür war er ihr doch viel zu wichtig. Sie wollte erst mit ihm Spaß haben, bevor sie ihn gehen ließ. Dafür brauchte es aber einen guten Plan, denn er würde vielleicht auch nach ihr suchen. Sie hatte schon eine Idee, doch wusste noch nicht, wie sie sie umsetzen sollte. Doch das würde schon werden, sie hatte ja bis morgen Zeit. Nun musste sie sich erstmal um die Buchhandlung kümmern.
Das Telefon klingelte, ihre Chefin war dran.
„Hallo Ida.“ begrüßte sie sie.
„Hallo Marie. Wie läuft es in der Buchhandlung?“
„Alles super. Ich habe mir eine Aushilfe geholt, das ist doch in Ordnung, oder?“
„Es ist in Ordnung, solang die Finanzen noch stimmen.“
„Das tun sie, du weißt doch, du kannst dich auf mich verlassen.“
„Alles klar. Ich muss noch einige Tage im Krankenhaus bleiben, aber werde bald wieder in den Laden kommen.“
Marie riss erschrocken die Augen auf.
„Krankenhaus?!“
„Ja, es ist aber nicht so schlimm, wie es sich anhört. Ich hatte starke Schmerzen in den Armen und so eine Enge... da habe ich mich selbst eingeliefert. War wohl auch ganz gut so. Die Ärzte sagen, ich stand kurz vor einem Herzinfarkt, aber sie konnten es ja noch abwenden.“
Marie war geschockt. Ida und Herzinfarkt? Sie war doch sonst noch so aktiv, machte mehr Sport als Marie selbst! In dem Alter war das eine Seltenheit. Sie wollte ihre Chefin nicht verlieren und ihr fror bei dem Gedanken, dass sie ganz kurz davor gewesen sein musste.

Zu Hause angekommen, hörte Antonio zuerst seinen Anrufbeantworter ab. Er hatte eine Nachricht von Olaf.
„Hallo Toni, was machst du so den ganzen Tag? Du willst mir nicht erzählen, dass du hier schon ne Arbeit gefunden hast! Oder kurvst du die ganze Zeit mit deinem Motorrad herum? Nie erreich ich dich! Ruf mich mal zurück, wir müssen uns doch auch mal treffen, wenn du schon mal hier wohnst! Hauste rein! Olli.“
Er rief seinen Freund natürlich sofort zurück.
„Olaf hier, wer da?“
„Hi Olli, ich bin‘s.“
„Toni! Schön, dich zu hören, Großer! Wie geht‘s? Eingelebt?“
„Ja, schon. Hab schon ne Runde mit der Maschine hier gedreht.“
„Super! Läuft wie geschmiert, nicht? Sag mal, hast du Arbeit oder wieso kommt man bei dir nicht durch?“
Da Antonio beschlossen hatte, endlich ehrlich zu seinem Freund zu sein, sagte er ihm die Wahrheit.
„Ja. Ich arbeite als Buchverkäufer in der Buchhandlung, gleich bei dir um die Ecke.“
„Bei dieser süßen Marie? Blond, schlank, großbusig?“
Antonio seufzte.
„Ja, bei Marie. Aber was verschlägt dich denn in die Buchhandlung?“
„Sie. Und dich?“
„Na, ich lese gern und bin gelernter Buchverkäufer.“
„Echt? Das hast du mir ja noch gar nicht erzählt! Coole Sache.“
Antonio war beruhigt, dass Olaf ihn nun nicht abwies, wie seine früheren Freunde. Es war ihm scheinbar relativ egal - „Coole Sache“ sagte er zu Allem, bei dem ihm nichts Besseres einfiel.
Nun fanden sie kein richtiges Gesprächsthema mehr. Sie verabredeten sich für den Abend und verabschiedeten sich dann. Von Sylvia erzählte Antonio Olaf nichts, denn er war ein Frauenheld durch und durch, er würde sicherlich versuchen, sie ihm wegzunehmen. Das traute er seinem Freund auf jeden Fall zu.

Carlos machte heute spät Feierabend. Er wollte noch nicht nach Hause, weil er dort genauso alleine war wie hier. Also arbeitete er lieber ein wenig weiter. Es war schon Abends, da hörte er, wie die Bürotür von Sylvias Büro aufgeschlossen wurde. Sofort machte sein Licht aus und lauschte. Sein Büro und das von Sylvia verband eine Milchglastür, sodass er sehen konnte, dass in Sylvias Büro Lichter angingen. Jemand war im Büro...
Er bewaffnete sich mit der Metallkanne, in der er seinen Kaffee warm hielt, und schlich sich langsam an der Wand entlang zur Tür. Er sah einen Menschen hinter der Tür entlang laufen. Diesen Moment nutzend, hob Carlos die Kanne, riss die Tür auf und knallte die Kanne dem Eindringling auf den Kopf. Sylvia ging zu Boden und lag reglos da. Als Carlos seinen Fehler bemerkte, schrie er laut auf und rief einen Krankenwagen. Er hatte doch tatsächlich Sylvia K.O. geschlagen!

Antonio zog mit Olaf durch die Straßen, Olaf zeigte ihm seine neue Heimat. Sie kamen an einem Bürokomplex vorbei, vor dem ein Krankenwagen stand.
,Na hoffentlich ist nichts Schlimmes passiert!‘, dachte sich Antonio.
Kurz, bevor sie die Straßenseite wechseln wollten, um den Krankenwagen nicht zu behindern, kamen die Rettungskräfte heraus. Sie hatten eine Frau auf der Trage. 
Aus Neugierde schaute sich Antonio die Frau genauer an. Sie hatte eine Platzwunde auf dem Hinterkopf, doch er konnte nicht genau sehen, wie groß sie war oder woher sie stammte, weil die Rettungskräfte die Trage drehten. Jetzt konnte er ihr Gesicht sehen. Er blieb sofort wie angewurzelt stehen. Es war Sylvia!

Carlos machte sich solche Vorwürfe, er hatte Sylvia ernsthaft verletzt! Sie war zwar wieder zu sich gekommen, aber hatte eine Platzwunde am Hinterkopf. Besorgt lief er mit den Rettungskräften mit zum Rettungswagen, da kam ihm auf einmal der Buchverkäufer entgegen.
„Carlos! Was ist mit Sylvia passiert?“ fragte dieser aufgeregt.
Dafür hatte Carlos ja wirklich keine Zeit. Und er wollte sich auch keine Vorwürfe anhören, seine eigenen waren ihm genug. Und überhaupt, was bildete der Typ sich ein, sich in Sylvias und sein eigenes Leben einzumischen?
„Es wird sich um sie gekümmert, Sie brauchen sich keine Gedanken zu machen. Gehen Sie bitte weiter und stören Sie die Rettungskräfte nicht.“ antwortete er mechanisch.

Antonio wurde wütend. Wieso gab Carlos ihm keine Auskunft? Er ging zu Sylvia, sie blinzelte, schien aber noch nicht wieder richtig da zu sein. Was war nur passiert?
Er fragte die Rettungskräfte, ob er mit ins Krankenhaus kommen konnte, doch weil er nicht mit ihr verwandt war oder sonst irgendwie mit ihr in Verbindung stand, mussten sich Antonio und Olaf ein Taxi zum Krankenhaus nehmen.
„Wer ist denn diese Sylvia?“ fragte Olaf Antonio, als sie im Taxi saßen. Er hatte wohl mitbekommen, wie wichtig Sylvia für Antonio war. Unwillig erzählte Antonio Olaf von Sylvia.
„Ich habe mich in sie verliebt. Sie hat gestern ein Buch bei mir gekauft.“
„Oha. Liebe auf den ersten Blick oder was?“
Antonio nickte nur vielsagend.
„An so einen Mist glaubst du?“
„Ja, wenn ich es doch sage! Vorher habe ich auch nicht daran geglaubt, aber man muss es wohl erst erleben, bevor es einem klar wird, dass es so etwas gibt. Ich für meinen Teil bin jetzt überzeugt davon. Ich liebe Sylvia und will mein Leben mit ihr verbringen. Da gibt es aber noch einen Haken...“
„Welchen denn? Liebt sie dich nicht?“ scherzte Olaf.
„Ich weiß es nicht, aber das ist es nicht. Du hast doch den Typen gesehen, Carlos, ja?“
„Oha. Ich weiß, worauf du hinauswillst. Siehst du, und damals hast du mir immer gesagt, lass die Finger von verheirateten Frauen.“
Olaf schaute Antonio böse an.
„Ich weiß nicht, ob sie verheiratet sind. Ich denke es nicht. Marie hat mir aber gesagt, dass Carlos auf Sylvia steht und als die Beiden bei mir in der Buchhandlung waren, hatten sie danach ein Date.“
„Schwierige Sache.“
„Jo.“
Nach Antonios letztem Wort herrschte Stille im Taxi. Antonio wurde plötzlich peinlich bewusst, dass der Taxifahrer alles mitgehört hatte.

Carlos fuhr dem Krankenwagen mit seinem Wagen hinterher. Er machte sich große Sorgen um Sylvia, auch wenn der Notarzt gesagt hatte, dass es ihr soweit gut ging. Wieso hatte er nicht einfach gerufen? Oder erst einmal geschaut, bevor er drauf los geschlagen hatte?
Aber wieso war Sylvia auch genau heute wieder in die Firma gekommen? Hatte sie hier etwas liegen lassen? Es war sehr merkwürdig, fand Carlos.
Bald kamen sie bei der Klinik an und er lief wieder hinter den Rettungsleuten hinterher. Drinnen bei der Aufnahme wurde er gefragt, ob er der Mann von Sylvia war.
„Nein, ich bin ihr Chef.“ antwortete Carlos wahrheitsgetreu.
„Und warum sind sie dann hier? Sie können den Heilungsprozess nicht beschleunigen, sie müssen wohl für ein paar Tage auf ihre Angestellte verzichten.“
„Ich... Ich habe ihr die Kanne auf den Kopf gehauen. Aber nur aus Versehen, ich dachte, sie wäre ein Einbrecher!“
Die Schwester schaute ihn skeptisch an.
„Na so ist das also... dann kommen sie bitte mal mit, denn dann braucht die Polizei sie für die Beweisaufnahme. Falls mit ihrer Angestellten etwas Schlimmeres passiert ist, dann tragen sie dafür die Verantwortung... Einfach so drauf los schlagen...“ Die Schwester sah aus, als würde sie Carlos am Liebsten anspucken.
Sie ging voraus und er folgte ihr, wohl wissend, was er getan hatte und dass er es alles zugeben würde.

Nachdem Antonio den Taxifahrer bezahlt hatte, nicht ohne dabei rot anzulaufen, rannten sie in die Klinik. Die Rezeptionistin klärte sie darüber auf, dass keine Besuchszeiten mehr waren und dass sie den Beiden auch keine Auskunft über den Gesundheitszustand von Sylvia geben konnte.
„Ärztliche Schweigepflicht, tut mir leid. Aber wenn sie morgen herkommen, kann ich ihnen die Zimmernummer nennen. Wie heißt ihre Sylvia denn mit Nachnamen?“
Olaf und Antonio schauten sich fragend an.
„Das weißt du nicht?“ fragte Olaf seinen Freund.
„Ich weiß es wirklich nicht. Aber sie ist doch grade erst eingeliefert wurden, mit Platzwunde am Hinterkopf.“
Die Rezeptionistin legte ihre Stirn in Falten.
„Und sie kennen die Patientin wirklich?“
„Ja!!“ sagte Antonio, dann erklärte er sich: „Ich bin Buchverkäufer. Gestern hat Sylvia bei mir ein Buch gekauft. Es war Liebe auf den ersten Blick! Ich habe nur von meiner Chefin erfahren, dass sie Sylvia heißt. Bitte glauben sie mir! Ich werde morgen wieder hier her kommen, bitte versprechen sie mir, dass sie mich dann zu ihr lassen!“ bat Antonio sie.
Mit immer noch verwirrtem Gesichtsausdruck willigte sie schließlich ein. Es sollte aber morgen niemand von den Beiden verraten, woher sie die Zimmernummer hatten. Denn sie durfte diese eigentlich nicht an Fremde weiterleiten.
Antonio freute sich und bedankte sich bei der Rezeptionistin, dann gingen die Beiden raus vor das Krankenhaus. Er war in Gedanken nun voll und ganz bei Sylvia.
„Das geht dir ziemlich an die Nieren, was?“ fragte Olaf.
Antonio nickte. „Ich habe sie gerade mal 10 Minuten gesehen, wenn es hochkommt. Ich kann sie doch nicht einfach so verlieren, ohne einmal richtig mit ihr geredet zu haben!“ Er war den Tränen nahe.
„Ach, Kopf hoch, Toni. Das wird schon! Ich meine, wo ist deine Sylvia denn besser aufgehoben, als im Krankenhaus? Die biegen sie schon wieder hin. Keine Sorge.“
Olafs Worte wirkten beruhigend auf Antonio und er konnte wieder durchatmen.
„Du hast wohl Recht. Morgen sieht die Welt schon wieder ganz anders aus.“

Sylvia ging es langsam wieder besser. Sie hatte zwar starke Kopfschmerzen, aber nachdem die Wunde nun genäht worden war und sie Medikamente bekommen hatte, war es ihr wenigstens nicht mehr so schlecht. Das Letzte, an das sie sich erinnern konnte, war, dass jemand die Tür zu ihrem Büro aufgestoßen hatte, alles, was danach kam, war ihr schleierhaft. Richtig wieder aufgewacht war sie erst im Rettungswagen.
Und dann ging alles so schnell... sie waren im Krankenhaus, dort wurden ihre Personalien aufgenommen und die Wunde genäht. Nun lag sie alleine im Krankenzimmer, aber wenigstens ging es ihr wieder ein wenig besser.
Die Ärzte hatten gesagt, sie müsste die Nacht hier bleiben, zur Beobachtung, weil sie eine Gehirnerschütterung haben könnte. Sylvia hoffte, dass sie so etwas nicht hatte.
Sie seufzte. Schlafen konnte sie nicht, dazu hatte sie zu viele Kopfschmerzen. Draußen schien es auch hell von der Stationsbeleuchtung herein und immer wieder liefen Menschen den Gang entlang. Wie sollte man hier denn schlafen?
Nicht einmal ein gutes Buch hatte sie mit, obwohl sie kaum daran glaubte, bei solchen Kopfschmerzen lesen zu können.
Sie machte sie Augen zu und dachte an Schafe, die über einen Zaun springen. Doch es half nichts. Wäre ja auch zu schön gewesen.
Ganz schleierhaft erinnerte sie sich an das, was vor dem Krankenwagen war. Sie wusste nicht, ob es wirklich passiert war oder ihr Unterbewusstsein es ihr nur vorgespielt hatte, doch sie hatte Antonios Stimme gehört. Er war besorgt gewesen - besorgt um sie! Ihr war es so warm ums Herz geworden. Aber sie hatte ihn nur kurz gehört, dann war er wieder weg. Nun war es laut der Uhr, die neben dem Fernseher hin, schon halb 11 abends, da ließ man ihn ganz bestimmt nicht zu ihr. Sie müsste noch etliche Stunden warten, bis Carlos sie besuchen kam und sie ihn bitten konnte, Antonio zu holen. Wusste Carlos eigentlich schon, dass sie im Krankenhaus lag? Sie schaute sich um, irgendwo hier musste doch ihr Handy liegen! Normalerweise war es ja in ihrer Hosentasche, aber sie hatte vorhin ein Krankenhausnachthemd bekommen und dieses angezogen, da ihre Bluse voller Blut gewesen war. Dann fiel es ihr wieder ein, ihre Hose hing über dem Stuhl am anderen Ende des Zimmers. Sie versuchte, sich aufzusetzen, doch ihre Kopfschmerzen verschlimmerten sich sofort. Deshalb legte sie sich wieder hin und versuchte weiter, einzuschlafen. Sie könnte ihm ja morgen früh eine SMS schreiben.

Carlos saß deprimiert zu Hause. Nachdem er die Befragung der Polizei hinter sich gebracht hatte, bei der er sich einige skeptische und vorwurfsvolle Blicke eingehandelt hatte, war er noch mal ins Büro gegangen, um dort das Blut auf dem Boden wegzuwischen. Ihm wurde es dabei übel. Er hatte Sylvia so zugerichtet, er fühlte sich so schlecht deswegen. Aber irgendwer musste es ja wegmachen und wer, wenn nicht er.
Zu Hause wusste er dann nichts mit sich anzufangen. Er hatte die Büronummer auf sein Handy umgeleitet, damit er Sylvia morgen im Krankenhaus besuchen konnte. Da er heute schon vorgearbeitet hatte, konnte er sich die Zeit nehmen. Er hoffte, sie würde ihm das nicht übel nehmen, dass er sie niedergeschlagen hatte - es war ja auch nur aus Versehen gewesen.
Wütend musste Carlos an Antonio denken. Wieso war dieser Buchverkäufer nur ausgerechnet gestern Abend dort gewesen? Das war ja ein schon fast skurriler Zufall. Antonio ging ihm sowieso langsam auf die Nerven. Hatte sich Sylvia eigentlich mit ihm getroffen? Fragen konnte er sie ja nicht, aber das würde er morgen ganz bestimmt nachholen.

Marie lag in ihrem Bett und las ein Buch. Sie dachte die ganze Zeit schon an Antonio. Morgen würde sie ihn wiedersehen. Es kam ihr vor, als würde sie sich langsam in ihn verlieben, dabei dachte sie, sie könnte nie wieder lieben, nachdem ihr Exfreund sie betrogen hatte. Sie hatte sich damals geschworen, nie wieder einen festen Partner zu haben, konnte sich in dem Moment nicht vorstellen, dass sie jemals wieder jemandem so vertrauen konnte. Antonio vertraute sie noch nicht genug, um mit ihm wirklich etwas Festes anfangen zu wollen, zumal da ja auch noch die Sache mit Sylvia war, jedoch konnte sie es sich gut vorstellen, mit ihm zusammen zu sein. Sie fand die Vorstellung wunderbar.
In Gedanken an ihn schlief sie ein, mit einem Lächeln auf den Lippen.

Antonio wollte früh ins Bett, damit die Nacht schnell herumging, aber er konnte nicht einschlafen. Könnte er doch wenigstens nachfragen, wie es Sylvia ging! Aber die ärztliche Schweigepflicht hinderte die Ärzte ja daran...
Antonio ballte seine Hände vor Wut zu Fäusten. Er wollte wissen, was mit Sylvia war... was überhaupt passiert war! Aber das wollte ihm dieser Carlos ja nicht verraten, obwohl er es sicherlich ganz genau wusste. Am Ende war er noch Schuld daran gewesen! Antonio biss sich auf die Lippe, er wollte so etwas nicht grundlos einem Fremden unterstellen. Wenigstens hatte Carlos den Notarzt gerufen, dafür musste er ihm dankbar sein. Es wäre die schlimmste Vorstellung für Antonio gewesen, wenn seine Sylvia ihn einfach so verlassen hätte, ohne, dass er sie überhaupt richtig kennen gelernt hatte! Er spürte eine tiefe Verbundenheit zu ihr, die fehlende Nähe schien die Beiden noch mehr zu verbinden.

Irgendwann war Sylvia dann doch eingeschlafen. Und sie schlief sogar sehr gut! Geweckt wurde sie von ein paar Ärzten, die nach ihr sahen.
„Guten Morgen, Frau Friedrich.“ sagte einer der Ärzte.
Sie blinzelte, dann schaute sie die Ärzte an.
„Wir sind hier zur Visite. Sollen wir auf der Rückrunde noch einmal vorbei kommen oder sind sie nun wach?“ sagte eine Ärztin.
„Es geht schon.“ sagte Sylvia. Ein Blick auf die Uhr sagte ihr, dass es halb 10 war. Sie hatte länger geschlafen als sonst, fühlte sich schön ausgeschlafen.
Die Ärzte fragten sie nach ihrem Befinden und teilten ihr mit, dass sie morgen früh gehen konnte. Das ärgerte Sylvia. Eine Nacht im Krankenhaus war ihr schon unangenehm, nun sollte eine zweite dazukommen... sie seufzte. Es war ja für ihre Gesundheit. Sie hatte nun nur keine Ahnung, wie sie den Tag rum bekommen würde. Fernsehen ging mit Kopfschmerzen nicht, lesen auch nicht und viel herumlaufen schien ihr noch etwas schwierig. Am Liebsten hätte sie sich ihren Laptop bringen lassen, um zu arbeiten, aber daran war auch nicht zu denken. Bis Carlos Feierabend machen konnte und sie besuchen konnte waren es auch noch einige Stunden. Sie war wohl hoffnungslos verloren...

Carlos stand gegen neun Uhr auf, denn er wusste, dass im Krankenhaus die Besuchszeiten erst um zehn Uhr anfingen. Er duschte und aß Frühstück, dann ging er auf dem Weg zum Krankenhaus beim Bäcker vorbei und brachte Sylvia ihren Lieblingskuchen mit. Als er durch ihre Zimmertür trat, schien sie erstaunt.
„Woher weißt du, dass ich hier bin?“ fragte sie ihn.
„Kannst du dich nicht an gestern erinnern?“
„Nein, ich weiß nur, wie die Tür von deinem Büro aufging, wer sie aufmachte, das weiß ich nicht. Dann wurde alles schwarz. Weißt du mehr als ich?“
Carlos überlegte kurz, ob er ihr die Wahrheit verschweigen sollte, doch das konnte er nicht.
„Ich dachte, du wärest ein Einbrecher... Als du bei der Tür vorbei gingst, machte ich sie auf und schlug dir die Metallkaffeekanne auf den Kopf. Es tut mir so unendlich leid, Sylvia... Ich konnte mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass du der Einbrecher bist.“

Sylvia war verwirrt. Was sollte sie nun von Carlos halten? Er hatte sie niedergeschlagen... Aber nur aus Versehen? Sie wusste nicht, wie sie nun reagieren sollte.
Es herrschte lange Zeit Stille zwischen den Beiden, Carlos stand einfach im Zimmer und schaute zu Boden.
Sie brach die Stille.
„Was hast du denn mitgebracht?“ fragte sie.
„Ich hab Kuchen mitgebracht. Deinen Lieblingskuchen, den mit Streuseln obendrauf.“
„Das ist aber lieb von dir. Kann ich ihn haben?“
Carlos kam zu ihr hin und gab ihr den eingepackten Kuchen.
„Wenn du willst, dass ich gehe...“
„Jain. Kannst du mir einen Gefallen tun?“
„Jeden!“
Sylvia wusste nicht, ob dieser Gefallen auch unter jeden zählte, jedoch musste sie ihre Bitte loswerden.
„Dann finde Antonio, bitte. Und bringe ihn her.“
Sylvia brauchte ihn jetzt. Auch wenn sie nicht wusste, wie Antonio reagieren würde, wenn er erfahren würde, dass sie nach ihm gefragt hatte, musste sie ihn wissen lassen, dass er ihr wichtig war.
„Wer ist denn Antonio?“ fragte Carlos.
„Der Buchverkäufer!“
Sylvia setzte eigentlich noch an, Carlos zu sagen, dass Antonio nicht mehr im Buchladen arbeitete, aber dann zögerte sie. Sie wollte nicht, dass Carlos wusste, dass sie gestern Antonio gesucht hatte. 

„Achso, der.“
Carlos hatte es sich eigentlich schon denken können. Also war Sylvia wirklich ernsthaft an ihm interessiert. Und so rückte seine gemeinsame Zukunft mit Sylvia in weite Ferne und Enttäuschung und Schmerz standen ihm bevor. Er wollte nicht mit ansehen, wie sie mit jemand anderem als ihm selbst zusammen war, aber wollte ihr auch nichts verbieten. Er musste Antonio wohl suchen.
„Genau, der.“ stimmte sie ihm zu.
„Dann werd ich mich mal auf die Suche begeben und ihn dir herholen.“
„Danke.“
Sie verabschiedeten sich recht wortkarg, dann war Carlos auch schon auf dem Weg.
Es gefiel ihm nicht, doch wenn er seine Sylvia damit glücklich machen konnte, war ihm auch dieser Buchverkäufer recht.
Manchmal überlegte er, wieso er es sich eigentlich so schwer machte. Seit nunmehr zehn Jahren hing er nur an ein und derselben Frau und ließ sich auf keine andere ein. Obwohl er wirklich hier und da ein paar Angebote bekam, zumal er ja als ewiger Single bekannt war.

Antonio kam später als Marie zur Arbeit. Sie sah ihm sofort an, dass etwas nicht stimmte.
„Was ist los, Antonio?“ fragte sie.
Sie sah, wie er mit sich rang, ob er es ihr erzählen sollte oder nicht.
„Sylvia liegt im Krankenhaus.“ sagte er schließlich.
Marie erschrak im ersten Moment.
„Wieso liegt sie im Krankenhaus? Was ist passiert?“
„Das weiß ich selbst nicht so genau. Gestern abend war keine Besuchszeit mehr und die haben mir auch nicht gesagt, was mit ihr ist und wie es ihr geht. Heute nach Feierabend gehe ich gleich hin.“
,Wieso besucht Antonio Sylvia im Krankenhaus?‘ fragte sich Marie. Sie schien ihm viel zu bedeuten. Und da Sylvia gestern selbst nach Antonio gefragt hatte, beruhte das wahrscheinlich auf Gegenseitigkeit.
Aber sie wollte Antonio doch für sich! Sie musste jetzt in die Offensive gehen.
„Setz dich erstmal!“ sagte sie, dann stellte sie ihm einen Kaffee hin und fing an, seinen Nacken zu massieren.
„Du kannst jetzt ein wenig Entspannung gebrauchen.“

Antonio ließ es sich gefallen, den Nacken massiert zu bekommen. Er glaubte, dass Marie wirklich nur wollte, dass er sich entspannte und Anteil an seinem Stress nahm. Er lehnte sich zurück und schloss die Augen, aber diese Entspannung wurde jäh unterbrochen, als die Klingel des Buchladens ertönte. Ein Kunde betrat den Laden, sie mussten nach vorn in den Verkaufsraum.

Marie war genervt. Mit ihrem Plan hatte sie bisher alle noch so unwilligen Männer rum bekommen, wieso musste jetzt jemand reinplatzen? Sie stürmte aus dem Mitarbeiterzimmer nach vorne in den Verkaufsraum. Dort wartete schon Carlos auf sie.
„Was willst du hier?“ fauchte sie ihn an.
„Wo ist Antonio?“ fragte er nur.
Dieser kam gerade aus dem Mitarbeiterzimmer und schaute nun Carlos verwirrt an.
„Hier bin ich, wieso?“
„Sylvia fragt nach dir, ich soll dich mit ins Krankenhaus bringen.“
Nun war es an Marie, verwirrt zu schauen. Sie sah zwischen den Beiden Männern hin und her. War nicht Carlos es, der Sylvia für sich wollte? Wieso wollte er Antonio abholen?
„Oh! Gerne!“ sagte Antonio, dann schaute er zu Marie „Das heißt, wenn ich mir noch einen Tag freinehmen darf.“
Marie war überrumpelt. Diese Wendung warf sie aus der Bahn. Sie musste einen Schlussstrich ziehen, ehe sie sich wirklich in Antonio verliebte und ihn dann sofort wieder an Sylvia verlor.
„Du darfst dir sogar Wochen freinehmen!“ sagte sie zuckersüß, „Du bist gefeuert.“

Antonio war es egal, dass er nun keine Arbeit mehr hatte. Er würde mit seinen Leistungen überall Arbeit finden, schade war es nur um die Buchhandlung an sich, denn diese war sehr schön. Wenn er so darüber nachdachte, war er sogar froh.
Das Geld, was er vor ein paar Jahren von seinem Vater geerbt hatte und er dann gewinnbringend angelegt hatte, reichte auf jeden Fall für ihn, um gut durchzukommen. Er müsste eigentlich nicht arbeiten, wenn er nicht wollte. Und so konnte er nun für seine Sylvia da sein, die ihn selbst sogar gerufen hatte. Nun wusste er endlich, dass sie ihm mehr bedeutete, als wäre er nur ein einfacher Buchverkäufer, der ihr ein Buch verkauft hatte und dann aus ihrem Leben verschwunden war. Sein Herz sprang im Dreieck und er konnte es gar nicht erwarten, zu ihr zu kommen.
„Na dann, nichts wie los!“ sagte er freudestrahlend zu Carlos, der ihn verständnislos anschaute.
Als die beiden draußen waren und er in Carlos‘ Auto gestiegen war, fragte Carlos ihn: „Du bist gerade gefeuert worden und feierst das wie einen Geburtstag?“

Carlos konnte Antonio wirklich nicht verstehen. So reagierte man doch nicht, wenn man seinen Job verlor!
„Das Wichtigste im Moment ist Sylvia.“ sagte Antonio.
,Wow‘, dachte sich Carlos, ,Sie scheint ihm echt viel zu bedeuten. Und er scheint ihr viel zu bedeuten...‘
Er nahm sich vor, die Beiden in Ruhe ihre Sache machen zu lassen. Würde Antonio Sylvia enttäuschen, würde er leiden. Das schwor sich Carlos.
Aber im Moment schien er Sylvia irgendwie glücklich zu machen, oder warum wollte sie unbedingt, dass er zu ihr ins Krankenhaus kam?!
Sie gingen gemeinsam zu Sylvias Zimmer, vor der Tür trennten sich dann ihre Wege.
„Geh nur rein, sie erwartet dich.“ sagte Carlos.
Antonio nickte und öffnete die Tür.

Die Tür ging auf und Sylvia konnte ihren Augen nicht trauen. Da stand tatsächlich Antonio in der Tür! Sofort grinste sie ihn an.
„Jemand hat nach mir verlangt?“ fragte Antonio glücklich.
„Ja, hier!“ witzelte Sylvia.
Ihre Kopfschmerzen waren wie weggewischt. Antonio war da - das war alles, was zählte. Sie war überglücklich, ihn zu sehen. Und was sie noch glücklicher machte, er war genauso glücklich über ihre jetzige Zusammenkunft wie sie.
Antonio setzte sich auf einen Stuhl vor ihrem Bett.
„Wie geht es dir?“ fragte er sie.
„Jetzt, wo du da bist, schon viel besser! ... ich darf doch du sagen?“
Antonio lachte.
„Es wäre eine Beleidigung, mich zu siezen.“
Sie strahlten sich an.
„Also... ist vorgestern auch nicht an dir vorbeigegangen?“ fing Antonio langsam an.
„Nein... ich glaube, ich habe mich verliebt.“ sagte Sylvia ganz offen.
Eigentlich hatte sie nicht vorgehabt, jemals so direkt zu sein, doch sie wollte ihren Antonio nicht schon wieder verlieren.
„Ich liebe dich auch, Sylvia.“ antwortete Antonio.
Sein Lächeln ging von einem Ohr bis zum anderen und Sylvia ging es genauso. Sie waren wie für einander bestimmt. 

Antonio konnte sein Glück kaum fassen. Er hatte gerade seiner Traumfrau seine Liebe gestanden! Obwohl das alles sehr schnell ging, war er sich sicher, dass er mit ihr den Rest seines Lebens verbringen wollte.
Sie unterhielten sich und hielten sich an den Händen, bis zum Ende der Besuchszeit und darüber hinaus, bis irgendwann die Schwester, die Antonio immer daran erinnerte, dass er jetzt gehen musste, im Zimmer wartete, bis er dieses verlassen hatte. 
Trotz dem, dass er jetzt gehen musste, war er überglücklich. Er umarmte Sylvia zum Abschied vorsichtig und ging dann heim.
Er freute sich, dass er nun gezwungenermaßen frei hatte, sodass er sie auch am nächsten Tag besuchen konnte und sie vom Krankenhaus abholen konnte. Und dann könnte er sie jeden Tag zur Arbeit bringen und wieder abholen, die Zeit ihrer Mittagspause mit ihr verbringen und die Nachmittage. Wunderbare Zeiten standen vor Antonio!

Am nächsten Morgen war Marie wieder alleine in der Buchhandlung. Sie hatte ihren einzigen Mitarbeiter rausgeschmissen, was für sie selbst wieder mehr Arbeit bedeutete. Aber da Antonio nur einen Tag richtig da war, hatte sie sich auch noch nicht daran gewöhnt, eine Hilfe zu haben. Gegen Mittag klingelte das Telefon.
„Buchhandlung Eichenplatz, Marie Müller am Apparat?“
„Hallo Marie, hier ist Ida. Wie geht es deinem Mitarbeiter? Hat er sich eingelebt?“
„Er arbeitet nicht mehr hier...“ Marie hätte es Ida wohl eher noch nicht sagen sollen, denn nun musste sie ihr sagen, warum er nicht mehr in der Buchhandlung arbeitete.
„Wieso das denn? Du hast doch so geschwärmt?“
„Er hat hier einfach nicht reingepasst. Frag am Besten gar nicht weiter. Wie geht es dir denn?“ wollte Marie ablenken.
„Mir geht es ein wenig besser. Aber wie soll ich innerhalb zwei Tagen schon richtig genesen. Soll ich mich um einen weiteren Mitarbeiter kümmern? Ich kann die ganze Arbeit ja nicht auf dich abwälzen.“
Marie schüttelte den Kopf, obwohl Ida sie nicht sehen konnte.
„Ist schon okay. Ich komme auch alleine ganz gut klar. Vielleicht meldet sich ja noch jemand auf meine Annonce.“

Carlos war, nachdem er Antonio abgeliefert hatte, einen Trinken gegangen. Zwar war es großartig, dass Antonio Sylvia glücklich machte, doch er selbst musste darunter leiden. Er versuchte, seinen Schmerz mit Alkohol zu ertränken. Das klappte ja sonst immer. Doch heute wollte es nicht so ganz. Er musste zu sehr an Sylvia denken, an ihre leuchtenden Augen, als sie von Antonio sprach. Sie war verliebt in ihn, das hatte er ihr angesehen. Und Carlos war sich sicher, das würde länger halten.
Er schaute sich um. Es waren so viele hübsche Frauen in der Bar, ein paar schauten ihn auch nett an. Als ihn eine Frau, die ihm gefiel und sehr nett wirkte, anzwinkerte, stand er auf und ging zu ihr hin.
„Ist hier noch ein Platz frei?“ fragte er.
„Ja, setzen Sie sich doch.“ sagte die junge Frau.
„Danke. Carlos Barroso mein Name. Sie können ruhig du sagen.“
„Ich bin Natalie. Schön, dich kennen zu lernen. Wie geht‘s? Was treibt einen schönen, jungen Mann an einem Mittwochabend in eine Bar?“
Carlos sah ihren beiläufigen Blick auf seine rechte Hand und auch, dass sie, nachdem sie dort keinen Ring gefunden hatte, noch mehr lächelte.
„Tja, wenn ich ehrlich sein soll, ich trauere meiner Angebeteten nach, der ich ihren Traummann vor die Füße gelegt habe.“
Natalie schaute verwirrt. Mit so etwas hat sie nicht gerechnet.
„Wie darf ich das verstehen? Hast du sie mit ihm verkuppelt?“
„So in etwa.“
„Und, fühlst du immer noch etwas für sie?“
„Ja. Aber sie nicht für mich. Und ich muss nun lernen, auch andere Frauen in meinem Leben zu akzeptieren. Ich hatte seit 12 Jahren keine Beziehung mehr.“
Natalie riss die Augen auf.
„Seit 12 Jahren?“
Carlos nickte nur.
„Die letzte war 2 Jahre, bevor ich Sylvia kennen gelernt habe. Seitdem hebe ich mich für sie auf.“
Ein leichtes Lächeln umspielte Natalies Lippen.
„Du solltest deine Enthaltsamkeit brechen. So lange Zeit hält doch niemand aus. Aber reden wir von etwas Anderem. Was machst du so?“

Sylvia lag glücklich im Krankenhausbett. An so eine Wendung hatte sie nicht geglaubt. Antonio war der perfekte Mann für sie, es war Liebe auf den ersten Blick bei den Beiden gewesen. Sie spürte, dass er es nicht nur sagte, sondern genauso fühlte wie sie. Da ihre Kopfschmerzen fast weg waren, schaltete sie den Fernseher ein wenig ein und schaute die Nachrichten an. 
Doch sie verstand nichts davon, ihre Gedanken umschwirrten ihre neue Liebe. Morgen würde er sie aus dem Krankenhaus abholen und dann könnten sie in ein gemeinsames Leben starten. Sie war froh darüber, dass er nicht mehr in der Buchhandlung arbeitete, so hatte er mehr Zeit für sie.
Sie fragte sich, warum er eigentlich gekündigt hatte, als ihr Handy vibrierte.
„SMS kann die Schwester uns nicht verbieten ;)“ las sie. Es war Antonios Nummer. Sylvia grinste.
„Stimmt! Sag mal, warum arbeitest du eigentlich nicht mehr im Buchladen?“ schrieb sie zurück.
Eine Weile lang kam nichts mehr, dann klingelte ihr Handy. Sie ging ran und hörte Antonios Stimme.
„Du, ich muss dir was beichten.“
Sylvia sagte nichts darauf, sondern wartete einfach. Sie konnte sich nicht vorstellen, was er ihr zu sagen hatte.
„Sylvia, bist du dran? Ich... ich habe Marie, meine Chefin, am Montag, als du bei mir ein Buch gekauft hast, nach dir gefragt. Sie sagte, dass Carlos auf dich steht und weil er gesagt hat, dass ihr ein Date habt, habe ich eins und eins zusammengezählt...“ fing er an.
„Nein! Carlos ist ein sehr guter Freund, aber ich liebe ihn nicht, ich bin nicht interessiert an ihm! Ich bin noch nie auch nur intim mit ihm geworden.“ wies Sylvia ab.
„Ja, das weiß ich jetzt auch. Aber am Montag dachte ich halt, dass du mit ihm zusammen bist. Sylvia, ich habe mich schon am Montag in dich verliebt und war so enttäuscht, als ich hörte, dass du schon mit Carlos zusammen sein könntest.“
Antonio machte eine Pause.
„Und? Was war denn dann? Was willst du mir sagen?“ fragte Sylvia schon fast flehend.
„Sylvia, ich liebe dich! Ich habe einen großen Fehler gemacht. Marie hat mich abends noch eingeladen, etwas zu trinken...“
„Und du bist mitgegangen. Komm auf den Punkt, bitte.“
Sylvia kannte Maries Eskapaden mit Männern nur zu gut. Letztens hatte sie versucht, sich an Carlos ranzumachen. Nicht, dass Sylvia eifersüchtig gewesen wäre - sie hatte sich lediglich Sorgen um ihn gemacht. Denn überall hörte man, dass Marie „so eine“ war, die sich immer nur an Männer ranmachte und sie dann fallen ließ wie heiße Kartoffeln. Gut, mit ihrem letzten Freund war sie schon eine ganze Weile zusammen gewesen, bis die Beiden sich trennten. Sie konnte ja auch nicht in Marie hineinsehen, vielleicht hatte sie auch immer nur Unglück mit den Männern, sie war ja schließlich genauso das perfekte Opfer für Casanovas, so hübsch, wie sie war.
„Ich habe viel getrunken... Das Einzige, an was ich mich erinnern kann ist, dass ich Marie geküsst habe. An den Sex kann ich mich nicht mehr erinnern und glaube mir, ich wollte ihn nicht! Ich war einfach zu betrunken!“
Sylvia ließ ihr Handy in ihren Schoß sinken. Welcher Mann wollte schon nicht mit Marie ins Bett, wenn sich ihm die Möglichkeit bot? Natürlich waren sie zu dem Zeitpunkt noch nicht zusammen gewesen, aber hatte er nicht behauptet, er hatte sich erst wenige Stunden zuvor in Sylvia verliebt?
Sie hörte die Stimme von Antonio, die aus ihrem Handy kam und drückte das Gespräch weg.
Er konnte nicht sagen, dass er es so schnell aufgegeben hatte, nur weil er dachte, dass Carlos und Sylvia zusammen waren. Das war doch absurd! In der Zeit, in der Carlos in Sylvia verliebt war, hatte Sylvia eine feste Beziehung geführt. Und, hatte er Spaß mit anderen Frauen?
Sylvia machte sich nun schreckliche Vorwürfe. Wegen ihr hatte Carlos seit zehn Jahren keine andere Frau auch nur angesehen. Sie musste sich bei ihrem Freund entschuldigen und klarstellen, dass er es ruhig durfte. Auch wenn sie sich bei dem Gedanken blöd fühlte, dass sie ihrem besten Freund erlauben musste, mit anderen Frauen auszugehen. 

Trotz dem, dass Natalie nun schon einige sehr offensichtliche Bemerkungen gemacht hatte, war Carlos standhaft geblieben. Er hätte es niemals über‘s Herz gebracht, Sylvia zu betrügen, weder in Gedanken noch anderweitig. Er konnte es einfach nicht - sie war die Frau, die er liebte. Und immer lieben würde.
Sein Handy klingelte.
„Entschuldigung.“ sagte er und nahm es aus der Hosentasche. Es war Sylvia.
,Spürt sie, was ich mache?‘, fragte er sich und ging ran.
„Hallo Sylvia.“ sagte er und der gerade noch so verführerische Ausdruck in Natalies Gesicht verschwand.
„Hey Carlos. Du... hast du grad Zeit?“
„Für dich hab ich doch immer Zeit.“ Carlos lächelte - er war sofort wieder hin und weg von Sylvias Stimme.
Obwohl Sylvia gerade anfangen wollte, Carlos zu sagen, dass er sich ruhig mit anderen Frauen treffen konnte, brachte sie kein Wort heraus. Der von ihr im Kopf formulierte Satz erinnerte sie so sehr an Antonio, dass sie in Tränen ausbrach. Carlos hörte am anderen Ende der Leitung ihr leises Schluchzen und stand sofort vom Barhocker auf.
„Was hat er dir angetan? Ich bin schon unterwegs!“ sagte er. Seine Alarmglocken schrillten. Sylvia weinte eigentlich nie, nicht bei emotionalen Filmen, nicht bei Hochzeiten, nie! Es musste etwas passiert sein, er musste ihr weh getan haben.
Carlos warf dem Barkeeper einen Fünfziger auf den Tisch und rannte zu seinem Auto, immer noch das Handy in der Hand. Dann fing Sylvia an, zu sprechen.
„Es ist alles... okay. Mach... mach dir um mich keine Sorgen.“
Durch ihr leises Schluchzen unterbrach sie sich immer wieder.
„Es ist nichts okay!“ sagte Carlos, als er das Handy mit der Freisprecheinrichtung seines Autos verband, „Wenn meine Sylvia weint, ist überhaupt nichts okay! Was hat er gemacht?“

Jetzt hatte Sylvia Carlos auch noch auf den Plan gerufen, obwohl sie selbst nicht einmal wusste, was sie nun denken sollte. Es war so verzwickt - aber sie wusste im nächsten Moment, dass es richtig war, dass sie ihn angerufen hatte und dass er nun zu ihr kam. Nicht einmal eine Viertelstunde später - Sylvia und Carlos redeten die ganze Zeit übers Handy - ging auch schon die Tür von Sylvias Krankenzimmer auf und Carlos kam herein. Er nahm Sylvia in seine Arme.
„Alles wird gut, Sylvia, Schatz.“ sagte er.
Es tat Sylvia so unglaublich gut, Carlos‘ Nähe jetzt zu spüren. Einen kurzen Moment überlegte sie, ob Antonio wirklich der Richtige war. Carlos war ihr immer treu gewesen, hatte nie an seiner Liebe zu ihr gezweifelt. Sie verstanden sich prächtig und konnten nicht lange böse aufeinander sein. War das keine Liebe?
Jedoch hatte sie bei Carlos nie das Kribbeln gespürt, welches sie bei Antonio von Anfang an hatte. Brauchte eine Beziehung ein Kribbeln? Sylvia wusste es nicht, aber sie wollte sich im Moment auch gar nicht mit diesem Thema beschäftigen.
„Was ist denn nun los?“ fragte Carlos Sylvia, als diese sich wieder ein wenig beruhigt hatte.
Sylvia überlegte, wo sie anfangen sollte, doch dann sprudelte alles aus ihr heraus.
„Antonio hat mir gesagt, dass er am Montag mit Marie geschlafen hat.“ sagte sie schon fast trotzig.

,Dieser Mistkerl!‘, dachte sich Carlos. Wenn er Sylvia wirklich geliebt hätte, hätte er nicht mit Marie geschlafen. Und dabei war Sylvia so glücklich gewesen... aber er hatte ja gleich im Gefühl gehabt, dass mit diesem Kerl etwas nicht stimmte.
Er wollte diesem Casanova zeigen, dass er, Carlos, seine Sylvia vor solchen Typen beschützen konnte. Am Liebsten hätte er ihm Eine reingehauen.
Wie konnte jemand seine Sylvia nur so verletzen? Ihm ging es einfach nicht in den Kopf. Und dann auch noch betrügen, mit so einem Flittchen! Auch wenn Carlos wusste, dass Antonio und Sylvia zu diesem Zeitpunkt noch nicht zusammen gewesen waren, war es für ihn schon betrügen. Denn wieso sollte man mit einer anderen Frau schlafen, wenn man seine Traumfrau gefunden hatte?
Auf einmal sah er sich selbst vor seinem inneren Auge mit Natalie zu ihr gehen. Hätte er es so weit kommen lassen, wenn Sylvia nicht angerufen hätte? Er sehnte sich so nach Nähe und Zärtlichkeit, aber doch nicht von einer anderen Frau als Sylvia! Und doch... Es wäre vielleicht so weit gekommen. Er schämte sich dafür.
„Kopf hoch, Sylvia.“ sagte er beruhigend, „So weißt du wenigstens, dass er nicht der Richtige ist.“
„Aber mein Herz sagt, dass er der Richtige ist, Carlos.“ weinte sie.
,Dein Herz verschweigt dir schon jahrelang, wer der Richtige ist.‘, dachte Carlos traurig. Er umarmte sie noch fester.
Sylvia musste es wohl selbst herausfinden, dass er der Richtige für sie war und nicht dieser Antonio oder sonst wer. Aber er durfte nichts erzwingen - sonst würde er sie so oder so verlieren. Seine einzige Chance war, dass er abwartete und ihr zeigte, dass er ein guter Mensch war. Sie wusste ja selbst, dass er sie liebte, sie musste nur noch herausfinden, dass sie ihn auch liebte. Carlos glaubte fest daran. Denn er wusste, die Liebe würde letztendlich siegen!

Antonio fuhr auf seinem Motorrad durch die Gegend. Er beachtete die Geschwindigkeitsbegrenzung nicht und fuhr viel zu schnell über die Landstraßen. Ihm war es egal, ob er gegen einen Baum fuhr oder irgend etwas anderes mit ihm passierte, denn er hatte es vergeigt. Er hatte die Liebe seines Lebens betrogen, das würde er sich niemals verzeihen. Erst in dem Moment, als er es Sylvia gesagt hatte, hatte er es richtig realisiert. Vorher hatte er es ja nur von Marie gehört, selbst daran erinnern konnte er sich ja nicht.
Er war auch von sich selbst sehr enttäuscht. Eigentlich würde er niemals so etwas machen... er war noch nie mit einer fremden Frau ins Bett gestiegen. Selbst mit Sylvia hätte er sich noch Zeit lassen wollen dafür... Aber das machte halt der Alkohol. Antonio wusste schon, warum er sonst nichts trank. Er war eigentlich prinzipiell gegen Alkohol, doch an dem Tag hatte er so miese Laune gehabt, dass er sich darauf einließ. Er dachte eben, dass Sylvia mit Carlos zusammen war. Im Krankenhaus aber hatte Sylvia dann erzählt, wie es um sie und Carlos stand. Sie hatte sogar erzählt, dass die Beiden es miteinander versuchen wollten, wenn Sylvia nach ihrem dreißigsten Geburtstag noch niemanden gefunden hatte.
Und er, Antonio, hatte es nicht einmal für nötig gehalten, Sylvia zu erzählen, dass er sie hintergangen hatte. Er fühlte sich so schlecht, doch das machte es auch nicht wieder gut.

Marie hatte Sehnsucht nach Antonio. Sie stellte jetzt langsam fest, dass es falsch gewesen war, ihn zu feuern. Ständig versuchte sie, ihn zu erreichen, doch er ging nicht an sein Handy. Wusste er, dass sie ihn nur angelogen hatte? Er hatte ja gar nicht mit ihr geschlafen, sie haben sich lediglich geküsst. Sie vermisste seinen Kuss... Er war wunderschön gewesen. Marie wollte ihn unbedingt für sich haben, diese Sylvia konnte doch ihren Carlos haben...
Sie seufzte und legte ihr Handy weg. Es brachte nichts, Antonio noch weiter anzurufen, es würde ihn wohl eher davor abschrecken, zu ihr zu kommen. Sie musste ihn irgendwie an sich binden... nur wie?
Sie schaltete den Fernseher ein, doch es lief nur Mist. Sie ließ sich eine Weile lang berieseln, dann reifte in ihr ein Plan. Jedoch musste sie erst wirklich wissen, ob Antonio der Mann für sie war, den sie schon immer wollte, denn dieser Plan war unumkehrbar.

Sylvia weinte nicht mehr lange, nachdem Carlos gekommen war. Er konnte sie schnell beruhigen. Sie nahm sich vor, sich morgen mit Antonio auszusprechen, denn sie wollte es nicht einfach so wegwerfen. Als sie das Carlos erzählte, wollte er sie zunächst für verrückt erklären, dann lenkte er jedoch ein.
„Mach, was dich glücklich macht, Sylvia.“ sagte er, „Ich stehe hinter dir und halte dir den Rücken frei.“
„Danke, Carlos. Ich weiß, wie schwer dir das fällt... Es tut mir so leid.“
Sylvia brach erneut in Tränen aus. Sie wollte es Carlos nicht so schwer machen, aber sie tat es trotzdem immer wieder. Er nahm sie wieder in den Arm.
„Ich werde immer für dich da sein, Sylvia. Und ich werde dich niemals hintergehen.“ schwor er, „Egal, für wen du dich letztendlich entscheidest.“
„Aber so riskierst du, alleine alt werden zu müssen...“ murmelte Sylvia.
Bei dem Gedanken wurde sie noch trauriger. Sie hatte es eigentlich so leicht. Sie müsste einfach nur zustimmen. Das Zusammenleben mit Carlos wäre so harmonisch und leicht... Und trotzdem wollte sie es nicht. Sie wollte Antonio, den Mann, der mit einer anderen Frau geschlafen hatte, obwohl er in sie verliebt war.
Sagte er nur, dass er in sie verliebt war? War es gar nicht so? Wollte er sie nur ausnutzen? Das konnte Sylvia nicht glauben - sie bekam es einfach nicht in ihren Kopf. Da lag so viel Liebe, so viel Wahrheit in seinen Augen. Obwohl... er hatte es ihr ja auch verschwiegen, warum er gefeuert wurde, bis sie ihn danach gefragt hatte. Sie wusste wirklich nicht, was sie glauben sollte, wen sie lieben sollte oder ob. Sie war einfach nur verzweifelt. Und in Carlos‘ Armen trotzdem so glücklich...
Sylvia hätte schreien können. Alles war so verwirrend!

Carlos fühlte Sylvia in seinen Armen beben. Er hatte sie oft im Arm, einfach so oder wenn sie eben traurig war, wie gerade jetzt.
Doch das hier fühlte sich anders an... Umarmte sie ihn fester als sonst? Sie schmiegte sich richtig an ihn. Er schaute zu ihr hinunter und sah, dass sie zu ihm aufsah. Ihre Blicke trafen sich. Sie sah so verdammt hilflos aus...
Carlos strich Sylvia eine braune Locke aus dem Gesicht und lächelte sie an. Er konnte ihr ja auch nicht groß helfen. Er bemerkte, dass Sylvias Gesicht sich seinem langsam näherte. Jetzt spürte er ihren langsamen, gleichmäßigen Atem auf seiner Haut, der langsam immer höher kam. Er sah, wie sie ihre Augen schloss und spürte ihren Atem auf seinen Lippen. Er schloss nun auch die Augen, dann neigte er seinen Kopf nach unten, sodass sich ihre Lippen berührten, ganz vorsichtig und sanft.

Sylvia entwich ein Seufzen, während sie Carlos‘ Lippen mit ihren öffnete. Sie küssten sich sehr lange, dabei aber ganz vorsichtig und sanft. Als Carlos dann seinen Kopf ganz leicht weg neigte, musste sich Sylvia an ihm festhalten. Ein berauschendes Gefühl durchströmte sie. Sie wusste nicht, warum sie Carlos geküsst hatte. Es war wie ein Instinkt gewesen, eine Reaktion darauf, dass er sie angesehen hatte. Sie wusste nicht, ob dieser Kuss gewollt war, geplant war er aber auf keinen Fall. Langsam ließ sie Carlos los und sank zurück auf das Krankenhausbett.
„Wow.“ hauchte Carlos in die Stille.


Ende - oder?!

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